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Neue Europagruppe Grüne: Brücke zwischen BürgerInnen und EU- Instiutionen

... Bei aller Freude über das gute Grüne Wahlergebnis in Deutschland:
Europa steckt in einer tiefen Krise. Der Süden aber auch Frankreich und Großbritannien versinken in wirtschaftlichen Problemen, Arbeitslosigkeit und politischem Populismus. Im neuen Europaparlament werden 30 Prozent GegnerInnen der europäischen Einigung sitzen, auch aus Deutschland. Es besteht die Gefahr, dass die Unterstützung für unser gemeinsames Haus Europa weiter schrumpft. Darauf müssen wir reagieren gemeinsam mit allen ProeuropäerInnen und als Grüne ganz besonders. Die meisten BürgerInnen wollen weiterhin die Europäische Einigung. Sie glauben aber, dass die jetzigen EU-Institutionen und die europäischen Eliten diese gute Idee oftmals schlecht umsetzen.

Europa braucht eine entschlossene Reaktion auf dieses Wahlergebnis.
Viele Bürgerinnen und Bürger haben das Gefühl, dass sie von der europäischen Einigung wenig profitieren. Europa bedeutet für sie all zu oft undemokratische Entscheidungen, Sparprogramme und einseitige Orientierung auf Wettbewerb und Konkurrenz am Arbeitsmarkt. In vielen Ländern wurden die RechtspopulistInnen vor allem von BürgerInnen gewählt, die aus Regionen kommen, die von der raschen Vereinigung unseres Kontinents weniger profitiert haben. Insofern ist der Rechtspopulismus auch ein Ausdruck sozialer und regionaler Spaltung der Gesellschaft. Europa braucht daher nachhaltige Investitionen in Gemeinschaftsprojekte, die europäische Identität schaffen können und auch denen nützen, die von der Europäischen Einigung bislang abgehängt wurden. Dazu gehören beispielsweise schnelle Internetanschlüsse für alle Regionen, Erasmus für Alle - gerade auch für Auszubildende, eine Europäische Anstrengung für die Umstellung auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, ein gemeinsamer Fernsehsender wie ARTE aber für ganz Europa. Damit würde Europa den Ruf verlieren, nichts für die Schaffung nachhaltiger Jobs zu tun und die einseitige Orientierung auf Strukturreformen überwinden. Unseren Grünen New Deal müssen wir so ausbuchstabieren und weiterentwickeln.

Finanzieren ließe sich das auch durch mehr Europäische Zusammenarbeit - nämlich bei der Bekämpfung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung und Steuerdumping sowie der Streichung umweltschädlicher und unnützer Subventionen. Profite großer Unternehmen leisten im verschärften Steuerwettbewerb kaum noch einen Beitrag zur Gemeinschaft. Kleine und mittlere Unternehmen zahlen dafür drauf während soziale und lokale Infrastruktur abgebaut werden.

Der Unwille der BürgerInnen kommt jedoch nicht nur vom Inhalt europäischer Politik, sondern auch wie sie gemacht wird. Europas Demokratie ist viel besser als ihr Ruf. Schon jetzt sind zum Beispiel die Ausschüsse des Europaparlaments transparenter als im Bundestag und die EU-Kommission offener als die meisten deutschen Ministerien.
Gleichzeitig habe ich während des Wahlkampfs die große Distanz zwischen Bürgerinnen und Bürgern und den Europäischen Institutionen gespürt.
Fast in jedem Gespräch wurde deutlich wie weit Brüssel weg ist, selbst wenn das Europaparlament nach wie vor den besten Ruf genießt. Das ist eine demokratische Zeitbombe, die uns Grünen nicht egal sein darf. Wir brauchen in der EU eine Offensive für eine echte Europäische Demokratie und müssen als Grüne auch unsere Arbeit im Europaparlament weiterentwickeln.

Die Europäische Demokratie muss vorbildlich werden für Transparenz und Freiheit von illegitimen Lobbyeinflüssen. Unser Lobbyistenregister muss endlich verbindlich für alle professionellen Interessensvertreter werden, die in EU-Institutionen aktiv sind. Was für das Europaparlament gilt, muss auch im Rat der Mitgliedstaaten gelten: Sitzungen und Dokumente müssen weitgehend öffentlich werden. So können sich Konflikte zwischen Gemeinwohl und Einzelinteresse nicht mehr als Kampf nationaler Interessen tarnen. Interessenkonflikte müssen sowohl bei Abgeordneten als auch EU-KommissarInnen durch längere Karenzzeiten vor neuen Jobs in der Wirtschaft und Offenlegungspflichten verhindert werden. Die direkte Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger selbst kann gestärkt werden:
Kommission und Parlament sollten sich verpflichten, auf eine erfolgreiche Europäische Bürgerinitative hin, tatsächlich einen Gesetzgebungsprozess zu starten. Das Wahlrecht selbst sollte europäischer werden, letztlich mit ergänzenden europaweiten Listen der Parteien. Und selbstverständlich muss nun ein Spitzenkandidat der Europäischen Parteien bei der Europawahl EU-Kommissionspräsident werden und nicht einE KandidatIn aus dem Hinterzimmer von Kanzlerin Merkel.

Aus dem Wahlergebnis können wir aber auch für unsere eigene Grüne Arbeit im Europaparlament lernen. Die Arbeit an der EU-Gesetzgebung war oft erfolgreich, aber zu wenig sichtbar. Wir müssen viel stärker aus der Brüsseler Blase heraustreten und Grüne Brücken für unsere PartnerInnen in kritischer Zivilgesellschaft, nachhaltigen Unternehmen und Gewerkschaften in die EU-Institutionen bauen. Statt unzählige Veranstaltungen in Brüssel zu organisieren, muss mehr Energie in die Kommunikation zwischen BürgerInnen und Europaparlament fließen.
Flüchtlingsinitiativen, TTIP-KritikerInnen, GegnerInnen von Fracking und Massentierhaltung, Unternehmen für zukunftsfähige Produkte und Dienstleistungen usw. können wir mit den Ressourcen unserer Fraktion europäische Begegnungen untereinander und mit uns Abgeordneten ermöglichen. So machen wir deutlich: Grüne kämpfen in Brüssel für ihre Anliegen. Für sie muss Europäische Demokratie erfahrbar werden - durch aktive und starke Grüne. Europas soziale und demokratische Leerstellen können wir nur mit der Unterstützung unserer Verbündeten füllen.


Sven Giegold, MdEP, Co-Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen zur Europawahl 2014, neuer Sprecher der Europagruppe Grüne. www.sven- giegold.de // twitter: sven_giegold


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Sven Giegold, MdEP
www.sven-giegold.de

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